Wahlgenial und Social Computing

Erschreckende Zahlen - über 40% der 18- bis 24-jährigen Wahlberechtigten haben bei der Europawahl 2019 nicht gewählt[1]. Auch wenn in den Medien von einer Politisierung junger Menschen durch Fridays for Future gesprochen wird, gibt es unter ihnen beunruhigend viele, die sich nicht für Politik interessieren oder sich von ihr repräsentiert fühlen[2]. Dennoch trauen sich viele nicht zu, an einem komplexen politischen Diskurs teilzunehmen. Grund dafür kann die eigene Angst sein, da sie sich wenig informiert fühlen.

Wie können diese Menschen zum Wählen animiert werden?

Die Animation zur politischen Teilnahme bildet die Grundlage für die Plattform wahlgenial.de.  Die Seite richtet sich vor allem an Neuwähler*innen. Außerdem bietet sie Neuwähler*innen die Möglichkeit sich über Parteien und die jeweiligen politischen Programme zu informieren. Ein übersichtliches Menü informiert kurz und knapp über die Standpunkte von unterschiedlichen Parteien zu den Themen Bildung, Digitalisierung, Migration, Arbeit und Soziales. Ziel dabei ist es Jungwähler*innen eine einfache Übersicht über die politischen Lager zu geben. So dient die Plattform in einem ersten Schritt der Informationsbeschaffung, wodurch die Grundlage zur Teilnahme am politischen Diskurs geschaffen wird. In einem zweiten Schritt sollen die Erstwähler*innen an das Thema Wahlen herangeführt werden, um dann tatsächlich an dieser teilnehmen zu können. Seriöse Informationsquellen sind eine notwendige Bedingung zur Partizipation an politischen Themen. So sagt Politikwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Klee “[…] Wählen zu gehen ist das Ende einer Entwicklung von Demokratiebewusstsein, nicht der Anfang.” In diesem Sinne muss sich auf die Entwicklung und Ausbildung des politischen Interesses fokussiert werden, da Wählen nicht ausreichend ist. Das Interesse für Politik muss demnach schon früh vermittelt werden - zum Beispiel in der Schule. Aus diesem Grund wurde Wahlgenial von einem Studienprojekt der Medieninformatik der TH Köln um eine Lehrer*innenplattform erweitert. Diese soll Lehrer*innen auf einfachem Weg politische Inhalte bereitstellen, die sie im Unterricht einsetzen können. Hier ist die Intention junge Menschen in der Schule über aktuelle politische Themen zu informieren und zu begeistern.

Doch was hat Wahlgenial mit Social Computing zu tun?

Die Webseite Wahlgenial steht für soziale Innovation. Junge Menschen sehen sich täglich Vorurteilen ausgesetzt. Diese Plattform erschafft einen Raum, in dem sich Jugendliche ohne Angst und sozialen Druck über politische Themen informieren können. Die Informationsbeschaffung führt zu sozialen Handlungen -  vom Interesse für politische Ereignisse und Mitmenschen bis zum Gang zur Wahlurne. Im Social Computing werden interaktives und gemeinsames Online-Verhalten betrachtet, wie in Foren, Sozialen Netzwerken, Blogs oder Wikis. Außerdem gehört die Erstellung solcher Systeme, die soziale Interaktionen beinhalten, zum Fachbereich. Folglich behandelt Social Computing die Wechselwirkung zwischen Informatik und Gesellschaft. Plattformen wie Wahlgenial schaffen diese Wechselwirkung. So können Nutzer*innen sich auf der Seite nicht nur informieren, sondern auch eigene Vorschläge für die Weiterentwicklung einreichen. Das Angebot soll so interaktiv mit einer Community erweitert werden.

Doppelt sozial

Die Auswirkung von sozialen Handlungen durch Wahlgenial betrifft jedoch nicht nur deren Nutzer*innen. Auch die Weiterentwicklung der Plattform bietet Chancen für Social Coding. Dies beschreibt einen Teilbereich des Social Computings, der verdeutlicht, dass nicht nur die Nutzer*innen der Systeme sozial interagieren können, sondern auch die Ersteller*innen. Die Entwicklung dieser Systeme wird so auch zu einer sozialen Interaktion. Durch weitere Projekte könnte Wahlgenial ständig um E-Learning Angebote, Foren o.ä. von unterschiedlichen Programmierer*innen-Gruppen erweitert werden. Die soziale Interaktivität von Wahlgenial kann so noch weiter ausgebaut werden. Über die Medieninformatik hinaus bietet die Plattform auch Möglichkeiten für politikwissenschaftliche Perspektiven. So könnte das inhaltliche Angebot von Fachleuten ständig überarbeitet und erweitert werden. Die Partizipation von weiteren Studierenden und Professor*innen durch (Studien-)Projekte könnte dazu beitragen Wahlgenial zu einem Social-Computing Raum zu machen, der Menschen informiert, begeistert und daran teilnehmen lässt die Demokratie in Deutschland zu fördern.

Bei Interesse der Teilnahme oder Ideen zu Wahlgenial können Sie gerne Prof. Dr. Kristian Fischer ansprechen.

Fazit

Wahlgenial bietet viele Chancen soziale Veränderungen zu bewirken, beispielsweise kann sie zu einer höheren Wahlbeteiligung führen. Weitere Projekte im Rahmen von Social Computing könnten dazu beitragen die Demokratie zu fördern, indem junge Menschen an Politik herangeführt, informiert und begeistert werden.

[1] https://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/b1ddce0c-d4b7-4020-9059-7357d1d8744e/ew19_heft4.pdf [2] https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/bundestagswahl-2017-jungwaehler-fuehlen-sich-von-parteien-ignoriert-a-1163829.html